Frisch auf den Tisch: Ausgabe No. 12 der marktforschung.de-Kolumne "Herberts Welt"!
In genau dieser Woche wird moweb 20 Jahre alt. Grund genug Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zum Thema zu machen. Doch erst Mal geht’s zurück ins Jahr 2004: Von Facebook zu Rehhagel bis zum Zaunkönig.
Viel Spaß beim Lesen!
Vor genau 20 Jahren: Otto Rehhagel gewinnt mit den Griechen die Fußball-EM, Schumi holt seinen siebten WM-Titel, Mark Zuckerberg gründet Facebook und der Zaunkönig wird Vogel des Jahres. Auf die "Alkopops" gibt’s nun eine Sondersteuer, wegen der Hartz-Reformen gehen Hunderttausende auf die Straße und in der Ukraine treibt die Orangene Revolution die Massen auf den Maidan.
Manches klingt wie aus einer anderen Welt, anderes aber erschreckend aktuell. Ich selbst gründe vor 20 Jahren gemeinsam mit meinem Compagnon Ryan Gibson unser eigenes Institut, um mich voll und ganz auf das brandneue Feld der Online-Marktforschung zu stürzen.
"Na und", höre ich Sie da sagen. War doch damals keine große Sache mehr?! Das Internet war schließlich seinen Kinderschuhen entstiegen und selbst die ersten Smartphones eroberten - noch drei Jahre vor dem iPhone - den Markt.
Als die Dotcom-Blase platzt, ist die Party (erst mal) vorbei!
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Das Platzen der Dotcom-Blase war zwar schon fast vier Jahre her, steckte den meisten aber noch ordentlich in den Knochen - auch wenn es im Rückblick gegen die bald folgende Bankenkrise nur noch wie ein lauwarmes Kriselchen wirkt. Aber das ist ein anderes Thema.
Zurück also zu 2004, als nicht nur die etablierten Player der Marktforschung zu online basierten Dienstleistungen vor allem Folgendes zu sagen wussten: Unseriös, ungeeignet und unausgereift. Bestenfalls Spielereien, die mit Sicherheit Geld und Vertrauen unserer Kunden verbrennen. Viele ätzten, dass Onlinepanels den etablierten Anbietern die Preise verhageln werden. Von der Qualität der neuen Daten mal ganz zu schweigen. Ergo: Am Ende macht Online alles kaputt!
Nun, das durfte und konnte man natürlich so sehen, es war ja damals wirklich "terra incognita". Und bei Neuland gilt stets: Was für die einen Möglichkeit und Chance, ist für die anderen Gefahr und Risiko.
Es kam ja dann doch anders. Und auch recht schnell. Denn schon ziemlich bald reihten sich Online-Erhebungen ein in den Standardkanon der Marktforschungs-Methoden. Und statt das von vielen Seiten befürchtete Trümmerfeld hat die professionelle Nutzung des Internets unserem Business nicht geschadet. Im Gegenteil: Es ist dadurch vielfältiger, größer und stärker geworden.
Rise of Online = Rise of KI?
Abgesehen von meinem ganz persönlichen Jubiläum: Springt beim Rückblick auf die Online-Entwicklung der aktuelle "Rise of KI" als Parallele nicht geradezu ins Auge? Ist es nicht so ziemlich die gleiche Gefühlswelt, die derzeit ausgelöst wird? Klar ist doch schon heute: Auch Künstliche Intelligenz wird ein echter Gamechanger - und ist es in manchen Gebieten bereits schon. So wie das Internet rund um die Jahrtausendwende die Ökonomie transformiert und an einigen Stellen sogar (schöpferisch!) zerstört hat, so wird es nun mit größter Wahrscheinlichkeit auch KI tun. Die Frage ist also nicht ob, sondern wie: Wie schnell? Wie stark? Wie umfassend?
2004 ist nicht 2024. Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht. Trotzdem lassen sich aus der Vergangenheit wichtige Lehren ziehen, denn eines ist ja klar: Spätestens mit dem Launch von chatGPT vor nicht mal anderthalb Jahren ist diese technische Revolution in der Welt und wird in atemberaubender Geschwindigkeit NOCH besser und leistungsstärker werden. Auch in der Marktforschung wird sie fast alle Prozesse beschleunigen, teilweise ersetzen und absolut sicher auch neue Produkte ermöglichen: Egal ob in der Daten-Erhebung, Daten-Synthetisierung oder Daten-Analyse. Jeder Bereich wird mehr oder weniger betroffen sein.
Quant und Qual kommen zusammen!
Kleines Beispiel: Die Trennung von quantitativer und qualitativer Marktforschung wird schon in Kürze verschwimmen. Ein "zu viel" an Daten oder das "zu lang" eines Fragebogens wird schlicht keine Rolle mehr spielen. Survey-Bots werden sich mit beliebig vielen Probanden "unterhalten", im Zweifel auch völlig unstrukturiert. Ganz egal. Weder die Datenmenge noch die Datentiefe werden je wieder den Flaschenhals für Auswertungen bilden und somit das Aufspüren von Kundenbedürfnissen und -Wünschen auf ein bisher unbekanntes Niveau heben.
Es wird also - wieder einmal - vieles anders, einiges besser, manches wird auch verschwinden. Wie nun damit umgehen? Schon vor 20 Jahren war der entscheidende Faktor das richtige Mindset und das ist auch heute der Fall. Das bedeutet, der weiter anschwellenden KI-Welle zwar mit kritischem aber trotzdem offenen und positiven Geist gegenüberzutreten! Bereit zu sein, bestehende Gewissheiten wirklich ehrlich zu hinterfragen. Letztlich ist es auch die Lust auf Veränderungen, auf die es in Umbruchphasen - wie diesen - ankommt!
Krisen als Chance für Resilienz.
Bei was wir uns vermutlich alle einig sind: Jede Veränderung braucht Zuversicht und Widerstandsfähigkeit. Und liegt hier nicht eine weitere Parallele zu 2004? Damals war es die bleierne Zeit der ersten Nullerjahre. Deutschland ging als "Kranker Mann Europas" mehr als nur am Stock, konnte sich aber schon bald mit neuer Power wieder emporarbeiten. Frei nach dem Motto: Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker.
Gegenwärtig wüten die Krisen trotz überstandener Pandemie noch krasser, in Deutschland vielleicht so heftig wie nie. Selbst der "Kranke Mann" wird in der Öffentlichkeit als Bild erneut bemüht. Für das Team bei moweb und mich selbst waren es daher vor allem die letzten drei, vier Jahre, die wir für wichtige interne Transformationen genutzt haben, so dass wir aus dieser Phase belastbarer denn je rausgegangen sind. Klar, die Zeiten waren anstrengend, aber zum Aufbau von Resilienz haben sie sich mehr als gelohnt!
Die nächsten 20 Jahre, sie können kommen!
Sie sollen auch kommen, um erneut gemeinsam ein Stück künftige Marktforschung mitzugestalten. Und das mit unverändertem Rezept: Viel Neugierde gepaart mit einer gesunden Portion Stoizismus, plus natürlich Humor und Herzlichkeit. Denn hey, das Leben ist doch schon ernst genug!
Herbert Höckel is a managing partner here at moweb research GmbH. He has been a market researcher for more than 25 years. In 2004 he founded moweb GmbH, which he is still the owner today. moweb from Düsseldorf operates internationally and is one of the first German market research institutes specializing in digital processes.