Was können Unternehmen tun, damit sie echtes und ungefiltertes Feedback von ihren Mitarbeitern erhalten? Einen "Mystery-Mitarbeiter" einschleusen, meint Herbert Höckel von moweb.
marktforschung.de: Herr Höckel, welche Informationen liefern Fragebögen zur Mitarbeiterzufriedenheit? Wann macht ein solcher Fragebogen Sinn und was sollte dieser wie abfragen? Der aktuelle Skandal über manipulierte Fragebögen zur Mitarbeiterzufriedenheit bei der Deutschen Post zeigt ja, wie man es nicht macht.
Herbert Höckel: Ja, das ist richtig, der Skandal der Deutschen Post ist ein Paradebeispiel dafür, was gerade schiefläuft. Unsere Welt hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Die Anforderungen, denen sich Unternehmen heutzutage stellen müssen, sind enorm: New Work, Agilität, Digitalisierung und GenZ - um nur einige zu nennen. Problematisch werden diese Herausforderungen, wenn hierarchisch organisierte Konzerne versuchen diese wildwuchernde "ModernLiberty" zu beherrschen. In aller Regel wissen Entscheidungsträger in den einzelnen Abteilungen bereits was falsch läuft. Bestehende Defizite werden in der turnusmäßigen Erhebung der Mitarbeiterzufriedenheit vermutlich nicht das erste Mal angesprochen. Aber die Kluft zwischen Minimax-Bestrebungen der profitorientierten Unternehmenskultur auf der einen und den Selfie postenden GenZ-Aposteln auf der anderen Seite, könnte nicht größer sein. Mit linearer Autokratie kommt man hier nicht weit. Da der Fisch nun mal oft vom Kopf her stinkt, sind die um ihren Job bangenden mittleren Manager in dieser Zwickmühle zur Manipulation fast schon gezwungen. Mir persönlich tun alle Beteiligten in diesem Drama leid. Die Mitarbeiter, die ihrer Stimme beraubt wurden, die Manager, die eher faken statt führen und die ahnungslosen Vorstände, denen man geschönte Wahrheiten vorlegt.
Viel interessanter ist es, wie man es besser macht: Dafür muss in aller erster Linie die Unternehmenskultur stimmen. Die Mitarbeiter müssen Vertrauen haben, dass ihnen kein Nachteil durch Ehrlichkeit entsteht. Es muss sichergestellt sein, dass Angaben streng vertraulich und anonym behandelt werden und die darin angesprochenen Themen auch angenommen werden. Daher empfehle ich an dieser Stelle ganz deutlich das Mitarbeiterzufriedenheitsuntersuchungen immer von einem externen Institut gemacht werden. Die Lösung heißt im Klartext: Der Mitarbeiter muss Wertschätzung erfahren! Dabei ist die Rolle des Managements nicht diktieren und führen, sondern befähigen und respektieren. Die Mitarbeiter sind nunmal das wichtigste Standbein eines Unternehmens und ihre Zufriedenheit der Antrieb für Leistungsbereitschaft und ausschlaggebend für Erfolg. Je zufriedener die Mitarbeiter sind, desto besser. Auch das Thema Employer Branding wird immer wichtiger und zufriedene Mitarbeiter müssen zu einer soliden, souveränen Konstante des Unternehmens werden.
Was der Fragebogen dann im einzelnen abfragt ist in gewisser Weise sekundär, sofern die entsprechende Unternehmenskultur stimmt. Denn es kann mitunter unbequem werden, wenn strukturelle Probleme oder strategische Defizite vorliegen. Aber gerade Probleme und Defizite liefern oft wertvolle Optimierungsmöglichkeiten und können in Chancen und Vorteile umgewandelt werden.
Wie sollte mit den Ergebnissen aus Befragungen umgegangen werden? Welche Konsequenzen müssen folgen?
Diese Frage lässt sich gar nicht so leicht beantworten, denn das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Ich persönlich glaube, es macht keinen Sinn so etwas turnusmäßig als strukturierten Fragebogen durchzuführen. Stattdessen macht es eher Sinn eine Art digitalen Meckerkasten einzurichten. Ich kenne das noch aus meiner Schulzeit. Vor dem Lehrerzimmer gab es einen Briefkasten für Lob und Kritik. Der hieß auch genau so, weil eben beides gleichermaßen wichtig ist. Der Mitarbeiter sollte die Möglichkeit haben, Feedback nach oben geben zu können, wenn es gerade akut ist und nicht, wenn die Unternehmensführung beschlossen hat, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Nach dem Motto: "Dit ham’ wa jut jemacht!"
Was wir stattdessen brauchen ist eine positive Fehlerkultur: Die Mitarbeiter sollen Vertrauen haben Fehler machen zu dürfen und Probleme berichten zu können, ohne dass ihnen daraus gleich ein Strick gedreht wird. Aber auch die Vorgesetzten müssen Fehler einräumen können. Wenn wir uns nur gegenseitig Honig um den Mund schmieren, können wir es auch gleich bleiben lassen. Wir müssen dahin gehen, wo es weh tut und Probleme direkt an der Wurzel packen. Ein akutes Problem bedarf immer einer kurz- bis mittelfristigen Lösung. Ansonsten entwickelt es sich zu einer chronischen Problematik. Aus Unzufriedenheit wird dann schnell Resignation. Und resignierte Mitarbeiter arbeiten mit gedrosselter Leistungsbereitschaft oder haben sich bereits auf Stepstone ein Profil angelegt.
Gerade in einer Hierarchie gehen viele Anregungen, Wünsche oder Verbesserungsvorschläge auf dem Weg nach oben in die Führungsetage verloren. Wie kann das geändert werden?
In der japanischen Lebens- und Arbeitsphilosophie gibt es das Konzept "Kaizen", was wortwörtlich übersetzt "Veränderung zum Besseren" bedeutet. Dabei handelt es sich um ein methodisches Konzept, in dessen Zentrum das Streben nach kontinuierlicher und unendlicher Verbesserung steht. Die Verbesserung erfolgt dabei in einer punktuellen Optimierung sämtlicher kritischer Erfolgsfaktoren. Dieses Konzept ist bei uns als Konzept der kontinuierlichen Verbesserung (KVP) bekannt. Nach der Kaizen-Philosophie muss sich gerade in puncto Unternehmensführung bei uns noch einiges ändern. Wenn ich mich in der Wirtschaft so umsehe, sehe ich viele Unternehmen, die bis heute noch auf hierarchische, autoritäre Führung setzen. Ich denke, das ist weder zeitgemäß noch effizient. Im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung machen flachere Firmenhierarchien und ein direkter ehrlicher Austausch durchaus Sinn. Aber in Großkonzernen funktionieren flache Hierarchien alleine schon aufgrund der Größe nicht. So sieht man heute viele Konzerne, die gerade erst eingeführte agile Methoden wieder zurückrüsten und durch semi-autoritäre agile Strukturen ersetzen. Dennoch glaube ich, dass Mitarbeiterzufriedenheit immer und absolut Chefsache ist. Das gilt vor allem, wenn dieser in der dritten, vierten oder fünften Hierarchie-Ebene sitzt. Die Zufriedenheit der eignen Mitarbeiter muss Herzensangelegenheit der Geschäftsführung sein.
Wie aber soll ein Unternehmensentscheider die Mitarbeiterzufriedenheit fördern, wenn ihm geschönte, gefälschte oder gutheißende Ergebnisse präsentiert werden? Um wirklich handeln zu können, brauchen Entscheider ehrliches und ungefiltertes Feedback. Dieses ist aber eher selten in interndurchgeführten Studien zur Mitarbeiterzufriedenheit zu finden.
Wie gelangen Unternehmen Ihrer Meinung nach an "echtes" und "ungefiltertes" Feedback?
Bestehende Abhängigkeitsverhältnisse, soziale Erwünschtheit und mangelnde Wertschätzung führen letztendlich zu dem Problem, dass es kein ehrliches, ungefiltertes Feedback gibt. Manche trauen sich nicht aus Angst um ihren Arbeitsplatz. Andere wiederum sind einfach nur höflich. Und manche sind innerlich bereits so resigniert, weil sie fürchten, dass sich eh nichts ändern wird. So kommt es im Alltag leider viel zu oft vor, dass die Management Summaries in den Vorstandsetagen zu weit von der Realität abgerückt sind. Ich bin mir sicher, wenn die Vorstände der Deutschen Bahn einmal quer durch die Bundesrepublik in der Economyclass ihres eigenes Produktes anreisen würden, hätten wir binnen kürzester Zeit einen intelligenten 12-Punkte-Masterplan zur Modernisierung, Sanierung und Digitalisierung nicht nur des Streckennetzes, sondern des gesamten Produktes.
Der moweb Mystery-Mitarbeiter ist ein standardisiertes Verfahren für genau diese interne Struktur-, Prozess- und Defizitanalyse. In Absprache mit der Unternehmensführung und Personalabteilung werden Scheinpraktikanten in alle unternehmenskritische Bereiche eingebettet, um Optimierungspotentiale zu identifizieren. Dabei liegt unser Augenmerk auf einer objektiven Beobachtung von Verbesserungspotentialen sowie der Erhebung von ungefiltertem Feedback durch informelle Gespräche nach der Kaffee-Klatsch-Methode mit betroffenen Mitarbeitern. Binnen kürzester Zeit erkennen unsere geschulten Beobachter systematische Defizite und berichten über Missstände, für die einzelne Teams eventuell schon betriebsblind geworden sind. Kombiniert mit einem digitalen Kummerkasten entsteht so ein 360° Feedback-Portal, in dem echtes, ungefiltertes Feedback sowie klare, umsetzbare Handlungsempfehlungen ersichtlich werden. Mit diesem Wissensvorsprung wird die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit fast schon zu einem Kinderspiel. Die moweb Mystery-Mitarbeiter ist ein Deep-Dive Realitycheck. Wer mutig genug ist, sich der Wahrheit zu stellen, kann Chancen erkennen und in Erfolg umwandeln.
Vielen Dank für das Gespräch!
Herbert Höckel ist Geschäftsführender Gesellschafter von moweb.
Das Interview führte Gessica Uerling
Veröffentlicht auf Marktforschung.de
Herbert Höckel ist geschäftsführender Gesellschafter hier bei bei der moweb research GmbH. Seit mehr als 25 Jahren ist er Marktforscher. 2004 gründete er die moweb GmbH, welche er bis heute als Inhaber führt. Die moweb aus Düsseldorf ist international tätig und eines der ersten deutschen, auf digitale Verfahren spezialisierte Marktforschungsinstitute.