Das Düsseldorfer Nachtleben ist wieder erwacht. Besucht man am Wochenende die Altstadt, zeigt sich ein gewohntes Bild: Dichte Menschenmengen, überfüllte Straßen und feierlustige Jugendliche an den Rheintreppen. Von Corona, Maskenpflicht oder Abstandsregelungen ist keine Spur. Der mahnende Finger richtet sich dabei in aller erster Linie auf Jugendliche, die illegale Partys am Rheinufer feiern.
Damit Düsseldorf nicht zum nächsten Haltern wird, zieht Oberbürgermeister Thomas Geisel jetzt Düsseldorfs Skandal-Rapper Farid Bang mit ins Boot. Diese unerwartete Kollaboration schlägt hohe Wellen der Empörung. Zu Recht, denn es ist unklar, was genau den Skandal-Rapper, neben frauenverachtenden, gewaltverherrlichenden und antisemitischen Textpassagen, zum Moralapostel qualifiziert.
Eine offizielle Stellungnahme zur Auswahl des Repräsentanten blieb bislang aus.
Das umstrittene Image des Rappers ist, nicht zuletzt wegen des Echo-Eklats 2018, allseits bekannt. Was ihn dennoch als Botschafter attraktiv macht, ist sein Zugang zu seinen Fans. Dass es sich bei den feiernden Jugendlichen aber auch um eine, durch den Rapper zu erreichende, Zielgruppe handelt, ist faktisch nicht belegt und hinterlässt den faden Beigeschmack einer rassistischen Spekulation. Geisel selbst spricht bei der Zielgruppe von einer Parallelgesellschaft, dessen Verbindungsstück zu dem Skandal-Rapper der Migrationshintergrund ist. Damit bewegt sich Düsseldorfs Oberbürgermeister, gerade in aktuellen Zeiten, auf sehr dünnem Eis. Bei einer solchen, ich möchte fast sagen wagemutigen, Entscheidung, kommt der Shit-Storm nicht nur erwartet, sondern auch zurecht.
Als Marktforscher halte ich es grundsätzlich für sinnvoll jede Form der Kommunikation zielgruppengenau auszurichten, Personas zu identifizieren und alle möglichen Touchpoints zu analysieren. Auf Grundlagen von validen und zuverlässigen Zahlen, Daten und Fakten, kann man auch schwierige Entscheidungen treffen und nachvollziehbar erklären. Ob aber Farid Bang wirklich die angenommene Zielgruppenkonformität erfüllt, lässt sich ohne eine tatsächliche empirische Erhebung nicht sagen. Und eine Entscheidung aus dem Bauch heraus zu treffen, ist weder evidenzbasiert, noch diplomatisch, geschweige denn sinnvoll.
Die Welt äußert sich in Ihrem Beitrag vom 22.07. dazu wie folgt: „Das kann man kritisieren, man kann es aber auch als Realität akzeptieren. Es gibt vermutlich niemanden, der jene Jugendliche, die am Rheinufer illegale Partys feiern, besser erreichen kann, als der Düsseldorfer Rapper.“
Vermutlich gibt es niemanden, der die Jugendlichen besser erreichen kann, als Farid Bang. Vermutlich überwiegt aber auch der Anteil derer, die sich über die Zusammenarbeit mit Farid Bang empören, oder (schlimmer noch) diskriminiert fühlen, den Anteil derjenigen, die sich davon tatsächlich zur Vernunft bringen lassen.
Egal ob als Marktforscher oder Politiker; Bei wichtigen Entscheidungen würde ich mich niemals auf ein „vermutlich“ verlassen, sondern nur auf echte Meinungen von echten Menschen. Man hätte beispielsweise Abends in die Altstadt gehen und eben jene Jugendlichen nach Ihrem Musikgeschmack befragen können. Das hätte Aufschluss darüber gegeben, wie präsent, glaubhaft und überzeugend Farid Bang wirklich ist und welche Vorteile, aber auch Nachteile eine Zusammenarbeit mit sich ziehen würde.
Aber, wie pflege ich so gerne zu sagen: Wer nicht hören will, muss fühlen.
Herbert Höckel ist geschäftsführender Gesellschafter hier bei bei der moweb research GmbH. Seit mehr als 25 Jahren ist er Marktforscher. 2004 gründete er die moweb GmbH, welche er bis heute als Inhaber führt. Die moweb aus Düsseldorf ist international tätig und eines der ersten deutschen, auf digitale Verfahren spezialisierte Marktforschungsinstitute.