Ausgabe No. 15 der Mafo.de-Kolumne "Herberts Welt"!
Thema ist dieses Mal das "DACH-Dinner" als zukunftsweisendes Netzwerkformat im Rahmen der ESOMAR-Konferenzen.
Wie in Athen die erste Ausgabe des Dinners lief, was Herbert damit künftig noch vorhat und was er ganz persönlich für Learnings aus dem Kongress zieht, lesen Sie hier im folgenden Abdruck von "Herberts Welt"!
Viel Spaß beim Lesen!
Nein, das ist nicht der Beginn von Lotto am Samstag, sondern das Ergebnis des WeLoveResearch DACH-Dinners am Vorabend des ESOMAR-Kongress 2024 in Athen - organisiert von AMR Advanced Market Research sowie moweb research in Kooperation mit marktforschung.de.
Begrüßen konnte ich also sieben Gäste aus Österreich, neun Gäste aus der Schweiz und 18 aus Deutschland! Unser erstes "Pre-Kongress-Networking-Event" exklusiv für die Delegierten von ADM, BVM, DGOF, VMÖ und Swiss-Insights war somit ein voller Erfolg.
Zusammen mit der Vorstellung von Claudia Kuhlmann (Interrogare) und Andreas Knappstein (Bilendi) als die zwei neuen deutschen ESOMAR-Repräsentanten war es ein wahrlich inspirierender und produktiver Austausch unter den Gästen. Und damit das optimale Warm-Up für die darauffolgenden drei Tage auf dem weltweit wichtigsten Kongress unserer Industrie.
"Die deutschsprachige MaFo-Community wieder stärker aufstellen". So mein Postulat in der letzten Ausgabe von Herberts Welt: Das DACH-Dinner nun als neues Forum, um unsere Stimme in auf internationaler Bühne wieder lauter und hörbarer zu machen.
Und? Ist DACH nun BACK?
Zumindest ein sehr guter Auftakt ist gelungen. Und klar ist auch: Wir bleiben dran und planen schon jetzt für ESOMAR 2025 in Prag, mit dem Ziel, die Zahl der Delegierten beim Dinner mindestens zu verdoppeln.
Von der Zukunft wieder zurück zur Gegenwart - zur ESOMAR 2024, einem Fest der Innovation und Insights in Athen. Drei volle Tage mit Get-Togethers, Präsentationen und Key-Notes auf höchstem Niveau rund um die neuesten Trends in der Markt- und Meinungsforschung.
Im Rahmen der Pitches der "Young ESOMAR Society" legte Vince Grana (Orchard, USA) mit dem Titel seines Beitrags den Finger gleich mal tief in die Wunde: "Out With the Old, In With the New - a new way to reach consumers in an era of error-prone traditional forms of market research".
Seine Diagnose und Lösungen treffen zwar weltweit, aber doch ganz besonders auf die MaFo-Landschaft im DACH-Raum zu. Müssen wir uns nicht längst UNBEDINGT neuen Methoden, neuen Kommunikationsmodi und neuen Plattformen öffnen? Zwar sind der ADM Dual Frame Ansatz oder die verschiedenen Ausprägungen von Mixed-Mode-Methoden Wege in die richtige Richtung, aber das wird sicherlich noch lange nicht reichen.
Künstliche Intelligenz war faktisch in 99% aller Vorträge der berühmte "Elephant in the Room". Erst recht natürlich im Rahmen der "Research Effectiveness Awards" mit wertvollen Impulsen zu Verbesserungen und Weiterentwicklungen. Mir noch lebhaft in Erinnerung ist das Konzept um Emotion AI, vorgetragen von Cyrus McCandless und Aaron Reid von Sentient Decision Science.
Emotion AI als Entschlüsselung unserer Gefühle und damit die implizite Messung "was wirkt und was nicht". Emotion AI macht sich vor allem den Umstand zunutze, dass wir Menschen unsere Gefühle quasi als sichtbare Aussage im eigenen Gesicht präsentieren. Diese korrekt und präzise zu identifizieren und wirklich zu verstehen "verschafft Forschungs- und Kreativprofis ein tieferes Verständnis der Motivationen ihres Publikums und damit eine größere Überzeugungskraft."
Mein persönliches Highlight und inhaltliches Juwel waren die Best Practice Empfehlungen zur Erfassung "Internationaler demografischer Daten" von ESOMAR. Das Ziel eines Expertenteams unter der Leitung von Judith Passingham und Jon Puleston: Inkonsistenzen in der Datenerfassung weltweit beheben. Dafür wurden Standards für Variablen wie Arbeitsstatus, Alter und Geschlecht entwickelt, um die Genauigkeit zu verbessern und eine bessere Vergleichbarkeit (bzw. Vergleichbarkeit überhaupt!) in länderübergreifenden Forschungsprojekten zu gewährleisten.
Besonders lobenswert und erwähnenswert in dem Zusammenhang ist auch die Arbeit von Frank Buckler (Supra) der seine Erkenntnisse rund um die berühmt berüchtigte Einkommensfrage präsentierte. Wie misst man zuverlässig (hohe) Kaufkraft?
Gerade in Themengebieten (Dimensionen) mit hoher Co-Lineratität der einzelnen Faktoren untereinander stoßen klassische Analysen (wie z.B. die Regression) oft an ihre Grenzen - alles korreliert mit allem und ein kausaler Zusammenhang kann nur schwerlich gefunden werden. Hier setzt Frank Buckler "Causal AI" ein und ist in der Lage, aus über 200 Statements (Faktoren) die wenigen herauszufinden, die wirklich ein Indiz für "hohe Kaufkraft" sind.
Das Spannende daran: "Causal AI" wird in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen und vor allem bei großen und komplexen Datenbeständen zum Standard-Repertoire eines guten MaFo-Experten gehören.
Die gesamte Initiative von ESOMAR ist ein absolut lobenswertes Projekt zu der (leider) fast unmöglichen Aufgabe, die Abfrage von sozio-demografischen Variablen auch auf der internationalen Ebene zu vereinheitlichen. Für alle Interessierten hier mehr dazu.
Im Keynote des dritten Tages ging es trotz aller Präsenz von KI & Co. um eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten überhaupt: Vertrauen. Philipp Kristian, Autor von "The Trust Economy", hielt hierzu eine starke und inspirierende Keynote mit dem Kerngedanken: Vertrauen ist der Schlüssel zu Innovation und liegt im Zentrum fast jedes Problems.
Der Hintergrund: Ist der Kopf überfordert, entscheiden entweder der Bauch oder das Herz. Während der Bauch eher dem kurzfristigen Überlebensinstinkt entspricht (Prämisse: Welche Gefahren könnten JETZT lauern?), folgt das Herz der Intuition, also ein feinfühliger, langfristiger Impuls, der Menschen zu Stärke und Wissen führt - aber niemals ohne Vertrauen entstehen kann. Diesen Einfluss hat Vertrauen im Übrigen nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Unternehmen und Business-Modellen - bestenfalls demnach in der titelgebenden "Trust Economy".
Meine Meinung dazu: Misstrauen führt zu Disruption, Vertrauen aber zu Innovation. Die Marktforschung als Branche ist derzeit leider von tiefstem Misstrauen geprägt und dieser Vortrag ein Plädoyer das schnellstens zu ändern!
Mit dem Kongress 2025 in Prag gehen wir den nächsten Schritt. Mit einer eigenen Agenda, der gemeinsamen Formulierung der "deutschsprachigen Interessen" sowie der Entwicklung einer langfristigen Strategie, um unserem oben genannten Ziel näher zu kommen: Der Wiederbelebung und dauerhaften Stärkung unserer Stimme in der internationalen Markt- und Meinungsforschung.
Selbstverständlich wird kein DACH-Dinner ohne die enge Abstimmung mit den genannten neuen ESOMAR-Repräsentanten Claudia und Andreas ablaufen. Ich freue mich schon sehr darauf, beide nach Kräften in ihrer Arbeit zu unterstützen. Vielleicht ja schon auf dem nächsten "ESOMAR Connect Event", das derzeit schon in Planung ist und zwischen den Kongressen in Deutschland stattfinden soll.
Nicht nur wegen des DACH-Dinners wird den Delegierten und mir die antike Metropole wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Einfach ein fantastischer Ort und IMMER eine Reise wert. Als kleinen Anreiz dazu hier unser WeLoveResearch-Sightseeing-Goodie, den beim Treffen auch alle Gäste erhalten haben. Ein Art "Perfekter Tag in Athen" zum Download.
Viel Spaß damit und αντίο Αθήνα - auf Wiedersehen in Athen!
Herbert Höckel ist geschäftsführender Gesellschafter hier bei bei der moweb research GmbH. Seit mehr als 25 Jahren ist er Marktforscher. 2004 gründete er die moweb GmbH, welche er bis heute als Inhaber führt. Die moweb aus Düsseldorf ist international tätig und eines der ersten deutschen, auf digitale Verfahren spezialisierte Marktforschungsinstitute.