Herbert Welt No. 11 ist soeben auf dem Portal marktforschung.de erschienen und wirbt offensiv für einen neuen, frischen und vor allem positiven Blick auf die junge Generation Z.
Oder machen Sie etwa ebenso die Gleichung auf: Neu & jung gleich schwierig & vielleicht sogar gefährlich?
Herberts Meinung: Die GenZ ist besser als ihr Ruf, auch wenn sie uns anstrengt und Strukturen in Frage stellen wird!
Viel Spaß beim Lesen!
Rückblick auf den August dieses Jahres. Die Sonne brennt vom Himmel, es ist heiß. Draußen fragt sich die Welt mal wieder: Ist das schon Klimawandel oder noch Wetter? Zur gleichen Zeit taucht eine ganz andere Causa in meinem Posteingang auf: Absender ist die succeet23. Es geht um die diesjährige Messe in Wiesbaden und ob wir um den erstmals ausgeschriebenen succeet-Award pitchen wollen.
Das Thema des Awards: Die Generation Z und wie die Marktforschungsbranche in Zukunft mit dieser Alterskohorte umgehen sollte. Das Briefing für den Pitch lautet sinngemäß: Ungeduldige, anspruchsvolle junge Menschen bis 27 Jahre sind für Studien schwer erreichbar und als Probanden vergleichsweise unmotiviert und abgelenkt. Wie lassen sich diese beiden Probleme lösen?
GenZ als persona incognita?
Aha. Endlich wieder GenZ. Gefühlt kein Tag ohne aufgeregte Artikel, kritische Meinungen und natürlich täglich frische Studien zu dieser Gruppe. Hätte ich nicht selbst ein Exemplar der GenZ zu Hause liegen, könnte man meinen, es ginge hier nicht um Jugendliche, sondern um geheimnisumwitterte Außerirdische.
Inzwischen ist die succeet23 Geschichte und wir haben uns tatsächlich um den Award beworben. Unser Konzept schaffte es sogar auf die Shortlist, nur den Kollegen von Statista Q mussten wir am Ende den Vortritt lassen. An dieser Stelle noch einmal: Herzlichen Glückwunsch!
Hier kurz und knapp unser Ansatz für den Pitch: Unser Konzept gliederte sich in fünf Phasen, mit denen wir herausfinden wollten, wie man Menschen zwischen 13 und 27 Jahren nicht nur für Marktforschung begeistern, sondern auch stärker motivieren kann, so dass auch bei einer Befragung dieser Generation verlässliche Ergebnisse herauskommen.
Phase 1: | Zusammenfassung der Ergebnisse bereits veröffentlichter Studien zur GenZ mittels sekundärstatistischer Analyse. Besonderes Augenmerk liegt hier auf Psychografie und Mediennutzung sowie der Identifikation und Quantifizierung von Subkulturen beziehungsweise Teilsegmenten dieser Zielgruppe – also quasi eine Landkarte der GenZ. |
Phase 2: | Rekrutierung von GenZ-Personen für die Durchführung von Kreativ-Workshops. Einsatz der Protagonisten nicht nur als Testpersonen, sondern auch als Durchführende der Studie. Einsatz vielfältiger Kreativtechniken und Gamification-Elemente, um möglichst konkret - und aus erster Hand! - die wichtigsten Schmerzpunkte bei der Rekrutierung und der operativen Feldarbeit zu identifizieren. |
Phase 3: | Test der ersten Workshop-Ergebnisse, d.h. Rekrutierung realer Probanden über verschiedene Social Media Kanäle unter Einsatz unterschiedlichster Maßnahmen (z.B. Reels, Micro-Influencer) sowie verschiedener Sprachstile, Incentives oder "Call to Action"-Elemente. Erste Erkenntnisse zu Aufwand und Streuverlusten sowie zur Wirksamkeit der weiteren Workshop-Hypothesen. |
Phase 4: | GenZ-Interviewer befragen GenZ-Teilnehmer in einer Peer-to-Peer-Konstellation. Im Mittelpunkt steht die Einschätzung der Probanden zu ihrer gerade erfolgten Rekrutierung und ob sich die in Phase 2 aufgestellten Hypothesen zu Einstellung und Motivation in Marktforschungsprojekten validieren lassen. |
Phase 5: | Berichterstattung mit KI-gestützter Textanalyse aller geführten Interviews und damit der Übersetzung der wichtigsten Erkenntnisse in ganz praktische Handlungsempfehlungen für zukünftige Marktforschungsprojekte rund um die GenZ. |
Negatives Framing der GenZ?
Mit etwas Abstand schaue ich mir noch einmal das Briefing zum Award an. Da ist die Rede von "ungeduldigen, fordernden Jugendlichen", offensichtlich "schwer zu rekrutieren", zudem "unmotiviert und unkonzentriert". Ist das nicht schon negatives Framing? Und doch ziemlich typisch für die Art und Weise, wie die Diskussion um die GenZ in den letzten 2-3 Jahren in unseren Medien geführt wurde?
Nur drei Beispiele seit Jahresbeginn: "Gehalt? Heimarbeit? Sabbatical? Das ist der Gen-Z-Elite am wichtigsten", titelte die WELT im Januar. Oder die tagesschau in ihrem Onlineportal: "Generation Z - anspruchsvoll und wechselwillig". Auch ZEIT ONLINE stellte im vergangenen April fest, die GenZ sei "anspruchsvoll und weniger loyal gegenüber Arbeitgebern".
Und wie oft hört man, dass die Jugend von heute statt zu arbeiten erst einmal ihre Work-Life-Balance einfordert, tendenziell faul ist, schon im Bewerbungsgespräch nach dem nächsten Sabbatical fragt und sowieso über kurz oder lang den von UNS so hart erarbeiteten Wohlstand aufs Spiel setzt?
Mal ehrlich: Entspricht das der Begegnung auf Augenhöhe, die doch jede neue Generation zu Recht verdient? Mich stört dieser tendenziöse Unterton. Warum rufen nicht gerade wir Marktforscher "Stopp", wenn es darum geht, eine ganze Alterskohorte möglichst differenziert zu betrachten? Wir wissen doch am besten um die Heterogenität der Menschen auch innerhalb aller Altersgruppen - egal ob Babyboomer, GenX, Y oder Z. Und bald auch die Generation Alpha.
Gegen Pauschalisierung hilft nur Differenzierung.
Längst arbeiten wir nicht mehr mit Zielgruppen, sondern mit den viel konkreteren "Personas" als individuellem Kundenmodell. Eben weil die Unterschiede auch innerhalb scheinbar homogener Gruppen viel zu groß sind, als dass wir sie über einen Kamm scheren könnten.
Mit Augenhöhe meine ich auch, einer neuen Gruppe nicht nur mit Interesse und Neugier, sondern auch positiv zu begegnen. Eben ohne klischeehafte Vorurteile, wie es übrigens schon Sokrates vor über 2500 Jahren gesagt haben soll: Seine Worte: "Die Jugend von heute liebt den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt [...]". Kommt Ihnen das bekannt vor? Mir auch!
In Deutschland umfasst diese Jugend" nach aktuellen Angaben von Statista übrigens 12,1 Millionen Bürgerinnen und Bürger (5,8 Millionen Mädchen und Frauen sowie 6,3 Millionen Jungen und Männer, Stand: 12.10.2023). Das sind stolze 14,3 Prozent der Bevölkerung, die allerdings das gesamte Spektrum in Bezug auf Herkunft, Bildung, Wohlstand, Konsum, Sozialisation, Psyche und Einstellungen abbilden.
Die Neuen kommen! Freuen wir uns darauf!
Klar ist: Jede neue Generation ist zumindest ein Stück weit auch eine Black Box, die zu entschlüsseln schon immer unsere Aufgabe war. Wir müssen weiter erforschen, wie die GenZ tickt und wie wir am besten mit ihr als neuem Player in der Forschungslandschaft umgehen. Vor allem sollten wir weniger ÜBER sie, sondern MIT ihnen reden, um zu erfahren, was sie suchen, wollen und was sie wirklich begeistert.
Die Themenwahl für den succeet-Award war zweifellos richtig. Nur die Einstellung dazu würde ich mir für die Zukunft anders wünschen: Mit noch mehr Respekt und Offenheit dafür, dass diese jungen Menschen schon bald die Hauptrolle in Gesellschaft und Wirtschaft spielen werden.
Was zählt, ist unsere Anpassungsfähigkeit und vor allem der Wille dazu!
Höchste Zeit also, dass wir uns als Marktforscher kritisch fragen: Wie passen unsere Strukturen, Prozesse und unser gesamtes Handeln zu dieser Altersgruppe? Wo und wie müssen wir uns weiterentwickeln, um unseren Kunden auch mit der GenZ als Protagonist hochwertige Insights, verlässliche Beratung und solide Orientierung zu liefern?
Eines ist auf jeden Fall klar: Immer, wenn neue Akteure das Spielfeld betreten, sei es technischer oder gesellschaftlicher Natur, werden alte Strukturen - mal mehr, mal weniger - in Frage gestellt. Das nennt sich Fortschritt und sollte möglichst proaktiv gestaltet werden. Denn es ist allemal besser, vor der Welle zu sein, als hinter der Welle nichts mehr zu sehen und vergeblich nach Luft zu schnappen. In diesem Sinne: Mast- und Schotbruch!
Herbert Höckel ist geschäftsführender Gesellschafter hier bei bei der moweb research GmbH. Seit mehr als 25 Jahren ist er Marktforscher. 2004 gründete er die moweb GmbH, welche er bis heute als Inhaber führt. Die moweb aus Düsseldorf ist international tätig und eines der ersten deutschen, auf digitale Verfahren spezialisierte Marktforschungsinstitute.