Zugegeben, das mit dem Coronavirus ist schon so eine Sache… Aber nicht nur in Krisen wie dieser, werden wir auf eine Bewährungsprobe gestellt. Denn Herausforderungen gibt es in unserer digitalisierten Gesellschaft zuhauf. Manche Unternehmen meistern diese, andere gehen unter.
Wir können uns im Chaos baden und Trübsal blasen, oder die Chancen nutzen, die uns der Wandel bereithält. Gerade markt- und forschungsorientierte Unternehmen haben hierbei gute Karten. Zahlen, Daten und Fakten erweisen sich als nützlicher Kompass, um auch in stürmischen Zeiten, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und unsere „MS Unternehmens“ Flotte auf Kurs zu halten.
Deswegen habe ich für Sie fünf hilfreiche Marktforschungstipps, die Ihnen helfen können, das Steuer in die Hand zu nehmen.
Lassen Sie mich Ihnen vorab die vier verschiedenen Kundentypen erklären. Grob aufgeteilt, kann man von vier Gruppen ausgehen:
Einkäufe werden ausgelassen, verschoben, verringert oder ersetzt. Der Vollbremser fühlt sich finanziell bedroht. Dabei ist es unerheblich, ob diese Sorge rational begründet ist. Verbraucher, die nur über ein geringes Einkommen verfügen, fallen gleichermaßen in dieses Segment, wie auch ängstliche Verbraucher mit höherem Einkommen. Insbesondere, wenn sich die gesundheitliche oder finanzielle Situation verschlechtert.
Ganz ähnlich wie auch der „Vollbremser“ spart der „Asket“ in allen möglichen Bereichen, wenn auch weniger aggressiv. Asketen bilden das dominierende Segment. Sie umfassen die große Mehrheit der von Arbeitslosigkeit unversehrten Haushalte, die das breite Spektrum der Einkommensniveaus repräsentieren. Der Asket tendiert dazu, auf lange Sicht belastbar und optimistisch zu bleiben. Allerdings ist er weniger zuversichtlich, wenn es um die Aussicht auf kurzfristige Erholung oder die Fähigkeit geht, seinen gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Mit zunehmenden negativen Schlagzeilen gehen asketische Verbraucher allmählich in das Segment der „Vollbremser“ über.
Dieses Segment besteht hauptsächlich aus Personen der Einkommensklasse der oberen zehn Prozent. Zu Ihnen gehören aber auch diejenigen, die weniger wohlhabend sind und sich trotzdem ihrer Finanzen sicher fühlen. Der wohlhabende Konsument ist zuversichtlich, dass er die aktuellen und zukünftigen wirtschaftlichen Probleme überwinden wird. Er konsumiert unverändert, wobei sein Kaufverhalten ohnehin selektiver ist.
Der Lebenslustige ist ein urbaner und jüngerer Mensch, der lieber Miete bezahlt als Eigentum zu besitzen. Zudem gibt er sein Einkommen tendenziell eher für Erlebnisse als für Luxus (mit Ausnahme der Unterhaltungselektronik) aus. Dieser Konsument führt sein Leben wie gewohnt fort und kümmert sich nicht wesentlich um Einsparungen. Der Lebenslustige reagiert auf die Krise nahezu unverändert. Es ist unwahrscheinlich, dass sich sein Konsumverhalten ändert, solange er nicht arbeitslos wird.
Unabhängig davon, zu welcher der vier Gruppen einzelne Verbraucher gehören, priorisieren sie den eigenen Verbrauch, indem sie Produkte und Dienstleistungen in vier Kategorien einteilen:
Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel und allem voran: Toilettenpapier. Wesentliche Produkte sind überlebenswichtig und essenziell für das eigene Wohlbefinden.
Genussmittel, deren impulsartiger Kauf von dem Lustbedürfnis gerechtfertigt wird.
Für die Vorratskammer, den Haushalt oder das Büro - aufschiebbare Produkte werden zwar benötigt, aber können - wie der Name schon vermuten lässt – auch zunächst aufgeschoben werden.
Weniger relevante Produkte, die in vielen Fällen auch verzichtbar sind und deren Kauf im Rückblick in aller Regel unnötig war.
Ich denke, es besteht Einigkeit darin, dass Grundnahrungsmittel, Unterkünfte und Kleidung unerlässlich sind. Aktuell würden viele sicherlich auch Transport und medizinische Versorgung in diese Kategorie einordnen. Darüber hinaus kann die Zuordnung von Produkten oder Dienstleistungen sehr eigenwillig sein.
Zu Krisenzeiten hinterfragt der Verbraucher (mit Ausnahme des Lebenslustigen) die Prioritäten seines Konsums. Aus früheren Erkenntnissen wissen wir, dass Produkte und Dienstleistungen wie Restaurants, Reisen, Kunst und Unterhaltung, Kleidung, Automobile, Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik in den Köpfen der Verbraucher je nach Bedarf schnell von wichtigen Dingen zu Leckereien, Aufschiebbarem oder sogar Unnötigem wechseln können.
Sobald sich die Prioritäten verändern, streichen Verbraucher Einkäufe einer bestimmten Kategorie gänzlich, wie beispielsweise Haushaltsdienstleistungen, sie priorisieren Produkte von Wesentlichen zu Unnötigen oder sie ersetzen Einkäufe der einen Kategorie durch Einkäufe einer anderen. So kann möglicherweise der Restaurant-Besucher zum heimischen Chefkoch werden. Dann wird plötzlich der Italiener um die Ecke unnötig und stattdessen, landen Pasta und Pesto auf der Einkaufsliste.
Hinzu kommt, dass die meisten Verbraucher in Krisen preisbewusster einkaufen und somit ihr Markenbewusstsein sinkt. Daher ist zu erwarten, dass Lieblingsprodukte und -marken gegen preisgünstigere Alternativen ersetzt werden.
Da Sie nun um die Kunden- und Produkttypen wissen, geht es jetzt ans Eingemachte! Welche Kunden kaufen Ihr Produkt? Wie betrachten diese Ihr Produkt? Wie schaffen Sie es, Ihr Produkt so zu positionieren, dass Ihr Kunde es immer noch kaufen wird?
Mit Studien zum Thema Segmentierung & Personas finden Sie heraus, was, wann und wer über Ihr Produkt denkt und wie die Notwendigkeit Ihres Produktes bewertet wird. Dabei ist eine klassische Studie der beste Weg, um den Zielmarkt zu segmentieren. Eine Persona Studie gibt Ihnen Aufschluss über Ihr Produkt aus der Kundenansicht. Diese kann Ihnen dabei helfen, Kunden anhand von Attributen zu segmentieren, die sie vom Produkt erwarten.
Personas können Ihnen also helfen, zu verstehen, wer warum Ihr Produkt kauft. Oder im umgekehrten Fall: Warum nicht. In jedem Fall stellen Personas einen guten Ausgangspunkt dar, um Ihr Marketing an die veränderten Denk- und Kaufmuster anzupassen.
Wo schwächere Wettbewerber ins Stocken geraten, können Sie neue Marktanteile gewinnen. Erschließen Sie neue Märkte, fügen Sie neue Produkte hinzu oder erwägen Sie, einen schwankenden Konkurrenten zu übernehmen!
Dass neue Produktkonzepte überprüft, getestet und sich bewähren müssen, steht außer Frage. Sie sollten in Betracht ziehen, neue Konzepte zu entwickeln, die den Verbraucher, Ihren Konsumenten, jetzt in dieser Situation wirklich ansprechen. Denken Sie daran, dass der Verbraucher während einer Krise oder drohenden Knappheit zum Kauf angehalten ist. Er kauft weniger, er kauft anders, er wechselt die Marke oder probiert vollkommen neue Produktkonzepte aus. Wie auch immer: Er kauft.
Hier könnten Sie in qualitative und quantitative Forschung investieren, um die „Consumer Journey“ Ihrer Kunden zu verstehen. Die „Customer Journey“ kann neue Entscheidungsmuster und Marktchancen für Sie aufdecken. Sie wirft Licht auf Risiko-Bereiche, die Sie schnell ansprechen müssen oder potenzielle Goldschätze, die Ihnen bisher verborgen geblieben sind.
Verkaufen Sie auch zu Krisenzeiten immer noch das, was der Kunde braucht? Wenn nicht, ist es Zeit für Veränderung. Diese kann dauerhaft und zeitlich begrenzt sein. Flexibilität ist hier entscheidend! Wenn Sie, als Unternehmen, bereits in agilen Strukturen mit einem hohen Grad an Digitalisierung arbeiten, gratuliere ich Ihnen!
Guter Rat, ist teuer. Nicht unbedingt. Aber eine Empfehlung ist in jeder Wirtschaftslage, gerade in Krisenzeiten, Gold wert. Krisen können radikale (und oft dauerhafte) Veränderungen in Kaufprozessen, Markenpräferenzen und sogar im Lebensstil der Verbraucher hervorrufen. Kennen Sie Ihren „Net Promoter Score“ und wenn ja, wie verändert er sich gerade durch die Krise?
Zusätzlich zu innovativen Funktionen testen viele Unternehmen neue Margen, unterschiedliche Features und oftmals niedrigere Preise. Zum Beispiel können Unternehmen Marktanteile und Margen behalten (und gewinnen), indem sie die Preise und ihre Kosten (Größe / Features) senken.
Im Idealfall aber sollte man ein attraktives Angebot finden, um den aktuellen Preis zu stärken. Könnten Sie zum Beispiel ein Bonusprodukt oder eine Dienstleistung anbieten, um das Produkt verlockender zu gestalten?
Preissenkungen sind eigentlich nie die beste Strategie, aber dennoch eine Option, die durchdacht (oder von einem Marktforscher unter die Lupe genommen) werden will. Das Angebot zu ergänzen oder zu optimieren scheint da ein lukrativer Weg zu sein. Mit Conjoint-Studien können Sie herausfinden, für welche Strategie Sie sich am besten entscheiden sollten. Preisforschung und Conjoint-Studien berücksichtigen folgende Überlegungen:
Manche Wettbewerber werden ihre Ausgaben reduzieren und andere werden sich ganz zurückziehen. Wie die vier Kundentypen, reagieren auch Ihre Wettbewerber unterschiedlich auf Krisen. Während sich einige aus dem Staub machen, können Sie investieren! Nutzen Sie die neue Aufmerksamkeit in Ihrem Marketing!
Das bloße Investieren in Werbeausgaben ist als Waffe jedoch ziemlich stumpf. Insbesondere wenn die Markenbekanntheit ohnehin schon gegeben ist, ist ein anderes Marketing womöglich ratsamer als schlicht weg „mehr“.
Hier bietet die Attitude und Usage Forschung einen besonderen Mehrwert: Vor allem wenn sie tiefenpsychologische Elemente beinhaltet, können Sie herausfinden, ob Ihre Herausforderung Bekanntheit ist (in diesem Fall sind höhere Ausgaben sinnvoll) oder aber, ob andere bewusste oder unbewusste Kaufbarrieren bestehen (in diesem Fall müssen Sie ihre Kommunikation anpassen).
In Krisenzeiten trennt sich die Spreu vom Weizen! Die Entscheidungswege Ihrer Kunden können sich ändern. Auch die Wahrnehmung Ihres Produktes. Seien Sie also besonders achtsam und aufmerksam, um zu verstehen, wie Ihre Kunden (oder mögliche Kunden) über Ihre Marke denken, wie sie Wettbewerber bewerten und ihren Konsum anpassen. Machen Sie nicht den Fehler anzunehmen, dass Ihre Kunden auf die gleiche Art und Weise wie vorher einkaufen.
Stellen Sie alles auf den Prüfstand. Hinterfragen Sie, ob das was Sie vor der Krise wussten jetzt noch wahr ist. Vergleichen Sie Ihre Forschungsergebnisse mit Ihrer Marktstrategie und passen Sie Ihre Strategien je nach Persona oder Produkttyp an.
Herbert Höckel ist geschäftsführender Gesellschafter hier bei bei der moweb research GmbH. Seit mehr als 25 Jahren ist er Marktforscher. 2004 gründete er die moweb GmbH, welche er bis heute als Inhaber führt. Die moweb aus Düsseldorf ist international tätig und eines der ersten deutschen, auf digitale Verfahren spezialisierte Marktforschungsinstitute.