Bias sind kognitive Verzerrungen. Weniger negativ konnotiert sprechen wir auch von Heuristiken, überschlägigem Denken oder mentalen Abkürzungen. Viele Namen für ähnliche Phänomene, die unser aller Wahrnehmung, Meinungsbildung, Erinnerungen und Entscheidungsprozesse maßgeblich beeinflussen - immer wieder auch durch unbewusste Mechanismen.
Solche Denkmuster, die Psychologie beschreibt inzwischen deutlich über Hundert (!) davon, sind nicht per se gut oder schlecht, hilfreich oder schädlich. Sie sind vor allem eines: Menschlich.
Auf dieser Seite stellen wir - mit bewusst knappen Erklärungen und Beispielen - einige der wichtigsten Verzerrungen vor.
Menschen lassen sich bei Entscheidungen von Informationen (z.B. Zahlen) beeinflussen, die sie als erstes hören - egal ob diese Informationen mit der eigentlichen Entscheidung etwas zu tun haben.
Beispiel: In einer Gehaltsverhandlung setzt derjenige den Anker, der eine erste Summe kommuniziert. Die anderen Personen orientieren sich dann an dieser Zahl - ob bewusst oder unbewusst.
Umso leichter es einer Person fällt, sich an eine Information (z.B. ein Ereignis) zu erinnern, desto mehr wird diese Information überschätzt.
Beispiel: Liest eine Person in kurzer Zeit oft Berichte über Banküberfälle, wird die generelle Wahrscheinlichkeit von derartigen Verbrechen oft höher eingeschätzt als es objektive Statistiken aussagen würden.
Dieser Bias beschreibt die Tendenz, dass eine Person umso mehr die Meinungen oder Entscheidungen von anderen übernimmt, je größer die Anzahl dieser Menschen ist.
Beispiel: Viele Wähler machen tendenziell bei den Politikern ihr Kreuzchen, von denen sie glauben, dass sie am Ende auch gewinnen.
Schon die wiederholte Wahrnehmung einer Information oder Sache kann eine positivere Bewertung zur Folge haben.
Beispiel: Umso vertrauter eine Person wird, desto attraktiver und sympathischer kann diese erscheinen.
Befragte geben tendenziell eher Antworten, von denen sie glauben, sie träfen auf soziale Zustimmung.
Beispiel: Bei Vorbefragungen von Wahlen geben viele Bürger Parteien der Mitte als ihre Präferenz an, wählen dann tatsächlich aber extreme Parteien (links oder rechts).
Abwertung von Ideen, die nicht im eigenen Unternehmen entstanden oder entwickelt wurden.
Beispiel: Mangelnde Berücksichtigung oder Anerkennung von externen Beratungsfirmen, wenn sie die bisherigen Strategien in Frage stellen.
Hier wird die menschliche Eigenschaft beschrieben, zufälligen Mustern (die in ausreichend großen Datenmengen zwangsläufig vorkommen), eine Bedeutung zuzuschreiben.
Kurz: Das Erkennen von Mustern, wo überhaupt keine sind.
Beschreibt die Neigung, Informationen, die dem eigenen Weltbild entsprechen, eher auf- und wahrzunehmen. Oder anders: Die Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass diese den eigenen Erwartungen entsprechen.
Beispiel: Internetnutzer berücksichtigen auf Social-Media-Kanälen nur die Informationen, die ihren Haltungen (oder Vorurteilen) entsprechen. Man hört und liest also nur das, was man hören und sehen will.
Beschreibt die Wirkung, wenn bei Probanden implizierte Gedächtnisinhalte zum Beispiel mit Wörtern oder Bildern aktiviert werden.
Beispiel: Konfrontiert man Menschen mit einer Serie von Begriffen aus dem Kontext "Altern/ alt werden", bewegen sich einige anschließend langsamer als vorher.
Menschen nehmen Botschaften, die unterschiedlich präsentiert werden, auch unterschiedlich wahr. Selbst wenn sich der eigentliche Inhalt nicht verändert hat.
Beispiel: Werden große Konzerne immer wieder mit Begriffen wie "Gigant" oder "Branchenriese" umschrieben, reagieren viele Menschen mit mehr Sympathie für die kleineren (vermeintlich schwächeren) Wettbewerber.
Hier geht es um die Neigung von Beobachtern, die Ursache von Handlungen nur in den Personen zu sehen - statt (auch) auf die äußeren Umstände. Der Grund liegt darin, dass die Persönlichkeit bzw. das Verhalten eines Handelnden mehr (und leichter) auffällt als die Gesamtsituation.
Beispiel: Der Person, die einen in der vollen Fußgängerzone anrempelt, wird ein schlechter Charakter unterstellt, anstatt sich zu fragen, ob das gar nicht absichtlich, sondern der Situation geschuldet war.
Bewirkt die Veränderung einer Variablen die Veränderung einer anderen, so spricht man von Kausalität. Hier gibt es also einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Gibt es lediglich einen statistischen Zusammenhang (ohne Ursache-Wirkung) ist es eine Korrelation.
Beispiel für Kausalität: Steigende Temperaturen im Sommer führen zu mehr Eiskonsum. Hier führt das eine zum anderen.
Beispiel für Korrelation: Sonnenbrände im Sommer und Eiskonsum der Menschen.
Beide Effekte treten zwar meistens zusammen auf, die gemeinsame Ursache ist aber in beiden Fällen etwas anderes. Hier die intensivere Sonneneinstrahlung.
Wenn ein einzelnes Merkmal einer Person so dominant wahrgenommen wird, dass andere Merkmale bzw. Eigenschaften dieser Person kaum mehr beachtet werden. Das dominante Merkmal allein führt dann zum Gesamturteil über diese Person.
Beispiel: Gutaussehenden Menschen wird oft ein guter Charakter bzw. eine höhere Intelligenz unterstellt.
Manche Menschen glauben, dass sie keinen verzerrenden Einflüssen erlegen sind. D.h. SIE handeln immer rational und nur die ANDEREN lassen sich von Denkfehlern beeinflussen.
Das ist die Neigung, vorhandene Belege oder Informationen neuen gegenüber zu bevorzugen - vor allem, wenn letztere etwas am Status-Quo ändern könnten. Das entspricht also dem grundsätzlichen Unwillen, bestehende Urteile oder Bewertungen ändern zu wollen.
Beispiel: Neuen Informationen, dass die Erde eine Kugel sei, wurde nicht geglaubt, weil damit das alte Weltbild in Frage gestellt wurde.
Innovationen oder Neuerungen werden - gegenüber Bestehendem - grundsätzlich als besser bzw. vorteilhaft eingestuft.
Beispiel: In Hightech-Branchen werden Innovationen immer eher positiv wahrgenommen. Stillstand gilt hier mehr als anderswo als Rückschritt.
Reize oder Informationen, denen wir aktuell mehr Aufmerksamkeit schenken, werden verstärkt wahrgenommen. Andere eher ausgeblendet.
Beispiel: Wer sich aktuell verstärkt mit Oldtimern beschäftigt, wird "plötzlich" im Straßenbild häufiger solche Fahrzeuge wahrnehmen.
Werden Entscheidungen "nur" gemäß ihrer Resultate bewertet, ist das oft zu kurz gedacht. Der Zweck heiligt eben nicht immer alle Mittel.
Beispiel: Der Gewinn im Lotto muss nicht heißen, dass Lottospielen stets eine gute Idee ist.
Diese Neigung entspricht dem berühmten "Kopf in den Sand stecken" des Vogel Strauß (engl. Ostrich) - vor allem, um subjektiv schwierigen Informationen oder Entwicklungen aus dem Weg zu gehen.
Beispiel: Die rasanten Entwicklungen neuer Chatbots werden ignoriert in der Hoffnung, dass alles so bleibt wie es ist.
Auch zu viele Informationen können zu falschen Entscheidungen oder Bewertungen führen.
Beispiel: Hört man immer wieder von Einbrüchen in einer Großstadt, kann das zur Fehleinschätzung bzgl. der Einbruchs-Wahrscheinlichkeit führen. Dazu wären offizielle Statistiken zwingend nötig.
Die sogenannte Aktualitätsverzerrung (recency = die Neuheit) bevorzugt aktuelle Ereignisse gegenüber vergangenen Informationen. Ein Grund ist die leichtere Verfügbarkeit der neuen Information.
Beispiel: Läuft es heute an der Börse gut, verfallen manche Händler in den Glauben, dass das immer so sei.
Sticht bei einem Produkt etwas hervor (engl: to be salient), dann lassen sich Menschen davon gerne beeinflussen und übertragen dieses Auffällige auf das Ganze.
Beispiel: Die überdurchschnittliche Größe des Displays bei manchen Tesla-Fahrzeugen lässt Menschen auf die technische Überlegenheit des ganzen Autos schließen.
Stereotype kennt jeder: FC Bayern Fans sind arrogant und Yoga-Teilnehmer esoterisch.
Jeder Mensch ist jedoch ein einzigartiges Individuum. Man sollte also versuchen, kein vorschnelles Urteil über bestimmte Charaktereigenschaften einer Person zu fällen.
Hier werden Erfolge bzw. deren Wahrscheinlichkeiten systematisch überschätzt und Misserfolge unterschätzt.
Erfolgreiche Unternehmer werden medial zum Beispiel stärker präsentiert als weniger erfolgreiche. Dann kann dazu führen, dass das Unternehmertum als risikoärmer bewertet wird als es tatsächlich ist.
Wenn man es hinterher immer schon gewusst hat, muss das noch lange nicht so gewesen sein. Oft wird im Rückblick die eigene Urteilsfähigkeit überschätzt, weil zum jetzigen Zeitpunkt ja alles bekannt ist.
Beispiel: Ist ein Projekt gescheitert, will man schon zu Projektanfang die zu großen Risiken gekannt haben ("aber meine Meinung wollte ja keiner hören").
Weniger intelligente oder gar inkompetente Menschen unterliegen oft einer Selbstüberschätzung, UNTERschätzen jedoch die Anderen. Das Selbstverständnis über das eigene Können übertrifft die Realität, sie sind also unfähig, sich selbst objektiv zu beurteilen.
Beispiele: Diese gibt es genug, man muss sich nur umschauen :-)
Negative Ereignisse, Gedanken oder Gefühle werden subjektiv stärker wahrgenommen und gewichtet als ihre positiven Pendants. Kritik wirkt also stärker als Lob, Warnungen stärker als positive Prognosen oder ein möglicher (Geld-)Verlust stärker als ein nominell gleicher Gewinn. Die Überschätzung alles Negativen ist vor allem evolutioär begründet.